Lekythos mit Kaineusdarstellung

Inv.-Nr. 141

 

Die Lekythos gehört zu den qualitätvollsten attischen Vasen der schwarzfigurigen Malerei in der halleschen Sammlung. Sie wurde gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. in Athen gefertigt und dort 1894 von Botho Graef für die Sammlung erworben. Ihr heutiges Erscheinungsbild erhielt sie im Jahr 2000 nach einer Neurestaurierung. Das Bildfeld zeigt eine Szene des griechischen Mythos: der unverwundbare Krieger Kaineus versucht sich gegen steinewerfende Kentauren zu wehren. Kaineus gehörte zum thessalischen Volk der Lapithen und war ursprünglich ein Mädchen (Kainis). Als Dank für ihre Hingabe verlieh Poseidon ihr männliche Gestalt und Unverwundbarkeit. Durch Gottlosigkeit zog Kaineus sich dann den Zorn des Zeus zu, der zur Strafe den Kentauren befahl, ihn unter einer Last aus Steinen und Fichtenstämmen zu begraben. Diese Szene hat der Maler der Lekythos umzusetzen versucht, wobei die kleinen Steine in den Händen der Kentauren kaum als ernsthafte Bedrohung erscheinen. Kaineus selbst, in voller Rüstung, ist durch die ausschreitende, rückwärtsgerichtete Haltung unter leicht erhobenem Schild und mit wurfbereiter Lanze sehr lebendig dargestellt. Details der Kleidung und des Körpers sind in roter oder weißer Farbe hervorgehoben, heute an einigen Stellen nur noch als Schatten erkennbar, so beispielsweise die Schildornamentik.
Die hallesche Lekythos reiht sich in einen großen Bestand ähnlicher Lekythen vom Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein, die in der archäologischen Terminologie zur Phanyllis-Gruppe zusammengefaßt werden. Vom gleichen Maler stammt wahrscheinlich eine weitere Lekythos aus dem Museum in Syracus, in deren Bildfeld sich ein Kämpfer in ähnlicher Haltung und Gestaltung gegen zwei bewaffnete Reiter zur Wehr setzt.

Autor: Ralph Einicke (2002)


Zurück