Abguss des Diskos von Phaistos

Diskos von Phaistos

Kein anderes Schriftdokument aus minoischer Zeit zieht ein breiteres allgemeines Interesse auf sich als die beidseitig beschriebene Tonscheibe aus dem Palast von Phaistos. Insgesamt finden sich auf beiden Seiten 242 piktographische Zeichen 45 verschiedener Typen, die in einem Spiralband um den Diskus laufen. Einzelne Gruppen sind durch senkrechte Striche voneinander getrennt. Die Zeichen wurden mit Stempeln in den Ton eingedrückt.
Der archäologische Befund, in dem der Diskus gefunden wurde, ist nicht eindeutig, spricht aber für eine Datierung in die mittelminoische Phase III, die den Zeitraum von 1700 bis 1500 v. Chr. umfaßt. Im 2. Jahrtausend treten auf Kreta verschiedene Schriftsysteme auf, zunächst ein hieroglyphisches System im Norden und das Schriftsystem „Linear A“ im Süden, die auf heimischen Sprachen beruhen. Später entwickelt sich das Schriftsystem „Linear B“ auf Grundlage einer Frühstufe des Griechischen – es ist als einziges bisher entziffert. Die Zeichen auf dem Diskus gehören keiner der bekannten Schriften an, sie sind ebenso singulär wie die scheibenförmige Gestalt des Schriftträgers.
Die Schrift scheint von links nach rechts, d. h. von außen nach innen zu laufen. Da die Zeichen in Feldern geordnet sind, liegt vermutlich ein System vor, das auf Silbenzeichen beruht. Entzifferungsversuche hat es bisher reichlich gegeben mit mehr oder weniger seriösem Charakter. Einer wissenschaftlichen Beurteilung entziehen sich allerdings diese Versuche mangels der hierfür notwendigen statistischen Breite von vornherein.

Autor: Ralph Einicke 2002


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