Geometrische Keramik
Nach dem Untergang der mykenischen Palastkultur im 12. Jahrhundert v. Chr., die durch die großartigen Epen Homers – die Ilias und die Odyssee – weithin berühmt geworden ist, folgte eine Epoche, welche nicht zu Unrecht die „dark ages“ genannt wird. Nach diesem Einschnitt erscheint dann im späten 10. Jahrhundet v. Chr. eine Keramikgattung, welche als geometrische Keramik bekannt ist.
Die ersten Zierornamente sind noch einfache, mit dem Zirkel gezeichnete Kreise, doch bereits zum Beginn des 8. Jahrhunderts v. Chr. verdichtet sich die Ornamentik zu einem Geflecht aus geometrischen Mustern, welche nun in der ihr eigenen Strenge das ganze Gefäß überziehen. Im Laufe der Entwicklung von der protogeometrischen zur spätgeometrischen Keramik lässt sich erkennen, wie das Zusammenspiel von Gefäßverzierung und Gefäßform zum vollendeten Beispiel von Spannung und Dynamik wird. Die Gefäße entwickeln sich von der eher kugelig kurzhalsigen Form bei den Amphoren hin zu einer gestreckten Form mit einem langen aufstrebenden Hals.
Zwischen die das ganze Gefäß netzartig überziehenden geometrischen Verzierungen werden schon bald menschliche Darstellungen gesetzt, deren Thematik auf den Gebrauch der bis zu 1,70 m hohen Monumentalgefäße hinweist. Es handelt sich um Wagenfahrten, Totenaufbahrungen, kämpferische Darstellungen und Klageszenen. Auch die Fundorte der Keramik weisen auf eine Aufstellung über den Gräbern hin, wo sie nicht nur als oberirdische Erinnerungsmale dienten, sondern wohl in erster Linie bei Opfer- bzw. Spendehandlungen eine Rolle spielten. So werfen sie ein Licht auf die damaligen Jenseitsvorstellungen wie auch auf die Wertebegriffe der diesseitigen Welt, in der der gemeinschaftliche Kampf und das Leben für eine Gemeinschaft eine große Rolle gespielt zu haben scheinen.
Inv. 58 / 58 A ( 1–4 ): Fragmente eines Grabkraters
Diese fünf Fragmente gehören zu einem Grabkrater aus der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Sie gelangten als Geschenk von E. Pernice mit dem Verweis auf den Fundort „Friedhof an der Piräusstraße“ (Athen) in die Sammlung. Ein weiteres großes Fragment in der Sammlung des Louvre gehört zu demselben Gefäß. Der Durchmesser des Kraters läßt sich noch mit 90 cm rekonstruieren, die Höhe muss man auf 1,10 m – 1,20 m schätzen.
Gezeigt werden auf dem rechten Fragment (58A 3/4) eine Aufbahrungsszene (Prothesis) mit dem auf einem schachbrettartig gemusterten Leichentuch liegenden Verstorbenen und auf dem Fragment links davon (58A 1/2) Krieger mit der typischen Bewaffnung: ein Schild mit eingezogenen Seiten, zwei Lanzen und ein Schwert.
Die überaus gut gezeichneten grazilen und spannungsreichen Pferde und die wohlproportionierte Menschendarstellung verweisen dieses Gefäß in den engeren Umkreis des sog. Dipylonmalers. Benannt nach dem Dipylon (Doppeltor) in Athen, in dessen Nähe die ihm zugeschriebenen Gefäße gefunden wurden, ist er einer der ersten, der für uns in seiner Handschrift greifbar wird, nicht nur in den figürlichen Darstellungen, sondern auch in der Komposition der Ornamentik.
Inv. 59 und 59A: Fragmente eines Grabkraters
Auf zwei Fragmenten eines Grabkraters mit einem messbaren Durchmesser von 90 cm und einer Höhe von schätzungsweise 1,20 m sind stark stilisiert zwei Krieger mit Schild, Helm und zwei Speeren zu erkennen, die auf einem vierrädrigen Wagen mit Zweigespann stehen.
Auch hier findet sich ein typisches Füllornament wieder: die Swastika (Hakenkreuz). Etwas später zu datieren, lassen sich diese beiden Fragmente wiederum dem Umkreis eines Malers zuschreiben, dem sogenannten Hirschfeldmaler.
Autor: Dorothea Mauermann (2002)