Grabstele der Hediste (Aquarell)

Aus der thessalischen Stadt Pagasai (heute Volos) stammen mehrere Funde von Grabstelen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., deren Bemalung größtenteils erhalten ist. Damit gehören sie zu den wenigen Beispielen, die Aufschluss über die ursprüngliche Farbigkeit antiker Denkmäler geben. Carl Robert wollte diesen Aspekt auch im halleschen archäologischen Museum veranschaulichen. Die einzige geeignete Reproduktionstechnik, die dafür damals zur Verfügung stand, war das Aquarell. Er konnte den ihm befreundeten Künstler E. Gilliéron in Athen gewinnen, eine Reihe solcher Kopien anzufertigen (neben den Grabsteinen auch von einigen Fresken aus Pompeji). Sie wurden damals wegen ihrer außergewöhnlichen Qualität bewundert und bestechen auch heute noch durch ihre Originaltreue, die weitgehend unbeeinflusst vom Zeitgeschmack geblieben ist. Der hier gezeigte Grabstein wurde in zwei Teilen, in Jahresabstand, gefunden und die Aquarelle wie das Original zusammengefügt.
Auf dem sehr einfühlsamen Bild ist die Verstorbene Hediste auf einer Kline liegend dargestellt, eine hinter ihr stehende Amme hält ihren ebenfalls gestorbenen Säugling. Auf der Kline sitzt der trauernde Ehemann, im Hintergrund steht ein weiteres Familienmitglied.
Die Inschrift lautet in der Übersetzung:

Ein trauriges Schicksal spannen die Moiren Hediste zu auf ihren Spindeln,
als die junge Frau in Wehen kam, die arme. Denn nicht sollte sie ihr Kleines
in den Arm nehmen und ihres Kindes Lippe netzen an ihrer Brust.
Denn einen Tag nur durfte dieses das Licht schauen, da kam Tyche,
ohne einen Unterschied zu machen, über beide zugleich
und legte sie hier zusammen ins Grab.

 

Autor: Henryk Löhr (2002)
Übersetzung des Epigramms: Werner Peek (1960)