Römisches Pilasterkapitell

Inv.-Nr. 595

Das Kapitell wurde dem Museum 1928 von einer privaten Stifterin geschenkt. Auch wenn seine genaue Herkunft nicht mehr zu ermitteln ist, lassen stilistische Vergleiche erkennen, dass dieses Architekturteil in den ersten Jahrzehnten des 1. Jh. n. Chr. in einer stadtrömischen Werkstatt hergestellt worden sein muß und daher wohl an einem Bauwerk in Rom oder seiner näheren Umgebung angebracht war. Es besteht aus weißem Marmor mit bläulichen Adern, seine Reliefgestaltung ist eine qualitätvolle Steinmetzarbeit. Die verwendeten, stark stilisierten floralen Motive kennzeichnen das Stück als ein Kapitell korinthischen Typs: Auf einer Fußleiste stehen zwei gestaffelte Reihen von gezahnten Blättern der (ausgestorbenen) Akanthuspflanze, in der oberen Reihe ist dabei rechts ein weiteres Blatt zu ergänzen. Zwischen den Blättern des oberen Kranzes wachsen in flachem Relief stilisierte Stengel hervor, aus diesen entspringen wieder je zwei Blätter, die einen Hüllkelch bilden und je zwei zu Voluten gewundene Stengel stützen. In der Mittelachse steht über dem Akanthusblatt ein Stengel mit zwei kleinen Seitenblättern, der zwischen den Voluten hindurchwächst und in eine Araceenblüte mündet.
Diese reiche Pflanzenornamentik ist auf einen Schaft aufgelegt, der als oberen Abschluß die geschwungene Abakusplatte trägt. Auf der Rückseite ist das Werkstück grob gepickt und zeigt Reste von vier Eisenankern – es war offensichtlich rein dekorativ als Verblendung vor einer Ziegelwand montiert. Das Gleiche gilt für den Pfeiler, den es bekrönte, denn dessen oberer Abschluss einschließlich der Kannelurenansätze ist noch Bestandteil der Reliefplatte. Die rechte Seite ist kurz vor der Bruchkante angeschrägt, die Anker verlaufen hier im Unterschied zur linken Seite diagonal. Auch leichte Asymmetrien im Ornament weisen darauf hin, dass es sich hier nur um ein ursprünglich aus zwei Platten zusammengefügtes Eckpilasterkapitell handeln kann.
Abgesehen von den äußeren Voluten, die sich vom Gedanken des Ornaments her eigentlich unter der Abakusplatte einrollen sollten (nicht sie überschneiden dürften), wirken die Proportionen des gesamten Kapitells sehr ausgewogen, die Linienführung der einzelnen Glieder ist elegant und kraftvoll.

Autor: Henryk Löhr (2002)


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