Bucchero-Kyathos

Inv.-Nr. 263

Durch seine hauchdünne Wandung und Feinheit der geritzten Ornamente fällt ein schwarzes schalenartiges Gefäß mit aufwendig gestaltetem, sehr hohem Henkel ins Auge. Es wurde 1879 in den Latiner Bergen bei Rom von R. Leander gekauft und Heinrich Heydemann geschenkt, dessen Sammlung einen wesentlichen Grundstock des Museumsinventars bildet.
Auf der Frontseite des Kyathos befindet sich als Applikation eine Silensmaske. Zwischen dieser und dem Henkel wird die Schalenaußenseite in zwei Zonen geteilt, die mit geritzten Motiven versehen sind. Sie bestehen auf der einen Seite aus einem laufenden Hasen und einem Blütenstengelmotiv, auf der anderen Seite aus zwei einander zugewandten Vögeln, die ein Rebhuhn und eine Eule darstellen könnten. Die Zwischenräume sind mit zahlreichen kleinen geritzten und gestochenen Rosettenmotiven gefüllt, der Henkel ist mit gestochenen Ornamentbändern geschmückt.
In der Art der Ausführung finden die geritzten Motive nur mit jenen auf zwei lebensgroßen Masken und auf einem weiteren Kyathos aus dem Britischen Museum in London Parallelen. Diese nahen Vergleichsstücke wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts als Fälschungen entlarvt und der Fälscherwerkstatt der Brüder Pennelli zugeschrieben. Hier dürfte auch der Kyathos der halleschen Sammlung entstanden sein. Eine durchgeführte Thermoluminizenzuntersuchung – ein naturwissenschaftliches Datierungsverfahren für Keramik – hat 2001 das neuzeitliche Alter des Stücks bestätigt.
Trotz seiner nichtantiken Herkunft fasziniert das Stück durch seine meisterhafte Ausführung, die das künstlerische Geschick der Fälscher unterstreicht. In der Ausführung der Ritzornamente haben sie sogar einen eigenen Stil entwickelt, für den es keine etruskischen Vorbilder gibt. Das antike Aussehen des Kyathos wurde dadurch verstärkt, daß das Gefäß künstlich gebrochen und dann wieder restauriert worden ist und selbst täuschend echte Sinterimitationen aufgetragen wurden.

Autor: Ralph Einicke 2002


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